KInder und keine Zeit für Beziehung: Was tun?

Es ist nicht einfach, Zeit für eine Beziehung zu finden, wenn man Kinder hat. Oft kommt die Beziehung an letzter Stelle, wenn die Kinder versorgt sind. Viele Paare schaffen es gerade noch, sich gegenseitig den Rücken freizuhalten. Für die Beziehung - also die gemeinsame Zeit zu zweit - reicht es oft nicht mehr.

Ist das normal?

Ja, das ist normal. Kleine Kinder sind Zeitfresser. Die Beziehungszufriedenheit sinkt bei den meisten Paaren in den ersten Jahren nach der Geburt des ersten und zweiten Kindes.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen fehlt es an Schlaf und Zeit. Zum anderen gibt es plötzlich viel mehr zu tun. Laut einer Studie wächst unsere To-do-Liste mit Kindern um 600 verschiedene Aktivitäten!

Wie schaffen es die anderen?

Aus meiner Erfahrung als Mediator weiß ich, dass nur ca. 1/3 der Paare die Kleinkindzeit gut miteinander überstehen, ohne dass die Beziehung darunter leidet.

2/3 der Paare erleben die ersten 5 Jahre (pro Kind) als eine Zeit, in der Nähe und Intimität erheblich leiden. Das "glückliche" Drittel hat ein paar Tricks bzw. Voraussetzungen, die ich hier gerne verrate:

  1. Regelmäßige und offene Kommunikation miteinander: Sie kommunizieren regelmäßig und offen miteinander und gehen bei Konflikten deeskalierend mit den 4 apokalyptischen Reitern der Beziehung (Kritik, Verachtung, Abwertung und Mauern) um. Was regelmäßig bedeutet, ist von Paar zu Paar unterschiedlich.

Wichtig ist, dass eine Kommunikation über die Beziehung stattfindet und darüber, was ihr als Paar voneinander braucht. Das erfordert Initiative und Planung. Das passiert nicht von selbst.

2. Freiräume schaffen: Diese Paare sind sich bewusst, was ein Kind für die Beziehung bedeutet. Sie haben sich darüber informiert - oft schon vor der Geburt. Sie sind für diese Veränderung gewappnet. Ihre "Rüstung" ist ein gemeinsamer Schutzwall, mit dem sie diese Herausforderung, die Kinder für die Beziehungszufriedenheit darstellen, meistern.

Mit diesem Wissen schaffen Sie sich und Ihrer Beziehung regelmäßig Freiräume. Wie Sie das tun? Sie organisieren sich rechtzeitig Hilfe von außen.

4 Beispiele, wie Paare dafür gesorgt haben, dass sie mehr Zeit füreinander haben:

- Putzfrau: Ordnung / Sauberkeit leidet in den ersten Jahren erheblich und ist ein Konflikttreiber. Paare streiten oft darüber, wie es zu Hause aussieht oder leiden darunter, es "nicht zu schaffen". Eine Putzfrau schafft mehr Zeit füreinander und führt zur Entspannung beim Konfliktthema "putzen"/Sauberkeit.

- Oma / Opa / Familie: Kinder brauchen Zeit, um sich an Oma und Opa zu gewöhnen. Das gilt vor allem wenn sie dort mehr Zeit ohne die Eltern verbringen sollen bzw. dort übernachten. Hier loszulassen als Eltern kann schwierig sein, wenn die Werte von Oma und Opa ganz anders sind als die eigenen. Dann kommt es oft zu innerfamiliären Konflikten, die dazu führen, dass das Vertrauen in die Großeltern und ihre Fähigkeit, sich um die Kinder zu kümmern, schwindet. Das Gute an diesem Problem ist, dass es lösbar ist. Es braucht Kommunikation darüber, was wichtig ist und wo ihr als Eltern nachlassen könnt. Was können die Großeltern alleine entscheiden / alleine machen? Was nicht? und warum? Oft ist es notwendig, zuerst die gemeinsamen Prioritäten in der Beziehung zu klären. Dann ist es auch leichter gemeinsam gegenüber den Großeltern aufzutreten.

- Kindermädchen: Je nach Ausgangssituation ist dies eine Option für Paare, sich Zeit füreinander zu kaufen. Das investierte Geld als Investition in die Beziehung sehen. Studien zeigen, dass sich Beziehungskonflikte negativ auf die Entwicklung der eigenen Kinder auswirken. Umso wichtiger ist es, mit vielen kleinen Maßnahmen dazu beizutragen, dass es der Beziehung gut geht.

- Freunde: Viele Paare haben keine Großeltern in der Nähe. Es fehlen auch die finanziellen Mittel, um regelmäßig oder oft genug ein Kindermädchen zu bezahlen. Dann ist es wichtig, Zweckgemeinschaften zu bilden. Sucht euch Freunde mit gleichaltrigen Kindern, die in einer ähnlichen Situation sind. Wechselt euch in der Betreuung der Kinder ab. Wem das zu viel ist - finanziert gemeinsam ein Kindermädchen für die gemeinsamen Kinder :-)

Diskutiert diese Optionen miteinander. Findet heraus was für Euch passt bzw. geht und was nicht. Probiert die Optionen aus und verbringt Beziehungszeit miteinander. Viel Spaß beim Ausprobieren!

 3. Sie gehen im Alltag aufeinander zu:  Das ist ein Geheimtipp, der für die meisten Paare umsetzbar ist. Die Beziehungsforschung zeigt, dass wir unserem Partner im Alltag viele kleine Angebote machen. Diese gilt es zu sehen, zu hören und darauf zu reagieren. Vielen steht dabei die innere Stimme im Weg. Sind wir erst einmal müde, kritisch, negativ aufgeladen, ist es viel schwerer zu erkennen, dass unser Partner oder unsere Partnerin uns nichts Böses will. Diese vielen kleinen Angebote sind wie Geschenke, die Du machen kannst. Diese Angebote können Zeitgeschenke (siehe unten) ebenso gut sein wie die Nutzung der 5 Sprachen der Liebe.

4. Beziehungsrituale im Alltag wiederholen - Beispiel Küssen: Wie klappt es mit dem Küssen? Ist der Kuss schon vom Mund auf die Wange gewandert oder küsst Ihr Euch täglich? Wie lange? Sind es mehr als 6 Sekunden? Ja, auch dazu gibt es Untersuchungen.

Die Idee dahinter ist, dass es neben Küssen, Umarmen, Händchenhalten viele Beziehungsrituale gibt, die helfen, die Beziehungszufriedenheit im Alltag zu erhöhen. Es sind viele kleine Dinge die jeder von Euch tun kann. Viel Spaß beim Ausprobieren.

5. Sie nutzen die 5 Sprachen der Liebe: Kennst du deine Sprache? Gibt es eine gemeinsame? Welche spricht Dein Schatz? Finde es heraus. Dabei geht es weniger ums Reden, sondern darum, etwas füreinander zu tun, sich gegenseitig zu unterstützen mit dem, was der andere braucht und liebt. 

Woran scheitern Paare?

Paare sagen ganz klar, woran sie scheitern. Es fehlt an Freiheit, Zeit und Vertrauen: 

  • Freiheit das zu tun, was der Beziehung gerade gut tut.
    - Zeit miteinander zu reden, zu kuscheln oder es sich einfach gut gehen zu lassen.
    - Vertrauenspersonen, die sich um das Kind oder die Kinder kümmern können.
  • Kraft und Energie etwas zu organisieren.

Diese Punkte werden von Paaren oft als überfordernd und schwer lösbar erlebt. Dabei gibt es hier verschiedene alltagstaugliche Möglichkeiten, die helfen können, gemeinsame Beziehungszeit zu erleben.

Was können wir tun?

A. Kleine Rituale im Alltag: Am einfachsten ist es, kleine Momente zu nutzen, um Zärtlichkeit und Liebe zu teilen, z.B. kleine Gesten wie Küsse und Umarmungen während des Tages.

B. Mehr Zeit zu zweit:  Wann machen wir endlich mal wieder ein Beziehungswochenende? Paare, die unter Zeitdruck stehen, konzentrieren sich oft auf das, was nicht da ist oder nicht geht. Sie setzen sich hohe Ziele, die schwer zu erreichen sind. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Beginne mit einem gemeinsamen Spaziergang. Dann mit einem gemeinsamen Abend. Geht es langsam an. Passt eure Beziehungszeit euren Umständen an. Wichtig ist: Ohne Planung geht es nicht. Dafür seid Ihr beide gemeinsam verantwortlich. Ihr könnt es auch abwechselnd planen, so dass mal der eine, mal der andere "dran" ist, sich zu kümmern.

Was können wir konkret und sofort tun?

Einen Spaziergang machen: 

Das geht auch, wenn das Kind schläft. Wichtig: Handy dabei ausschalten. Tipp: Nebeneinander gehen synchronisiert die Schritte und macht es leichter, sich auf den Weg zu machen. Händchen halten hilft auch hier sehr, Nähe aufzubauen. Es muss dabei nicht geredet werden. Einfach gemeinsam die Natur, den Park, die Umgebung wahrnehmen.

Nehmt euch ein paar Stunden füreinander Zeit:

Findet jemanden, dem ihr das Kind/die Kinder für 2-3 Stunden anvertrauen könnt. Wenn es diese Person noch nicht gibt, könnt ihr besprechen, wie ihr zu dieser Person kommt. Das können zum Beispiel gute Freunde oder ein Babysitter sein. Macht etwas zusammen, was euch beiden Spaß macht.

Abends vor dem Schlafengehen:

Egal ob es 10 Minuten sind, in denen ihr euch erzählt, wie der Tag war oder ob es ein Einschlafritual ist (Fragt Euch gegenseitig: Was war heute das Schönste?).

Wichtig ist, dass ihr euer Ritual etabliert und es beide durchziehen. Dann steigt mit der Zeit auch die Beziehungszufriedenheit. Und vor allem: Nähe und Intimität nehmen wieder zu.

Gut geplant ist halb gewonnen:

Gemeinsame Zeit braucht einen Vorlauf und ein gemeinsames Ziel. Das kann zum Beispiel ein Ausflug, ein Kinobesuch, eine Wanderung oder ein gemeinsames Abendessen sein. Es sollte etwas sein, das Euch beiden Spaß macht. Jeder von euch kann eine Liste schreiben und diese vergleichen.

Spielen - Reden - Kuscheln:

Karten spielen, Beziehungskoffer oder ein anderes lustiges Spiel. Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen, die nicht von Alltagsgesprächen / To-do-Listen geprägt ist. Sondern vom gegenseitigen Hören, Fühlen und Sehen.

Miteinander Lachen:

Das ist bekanntlich die beste Medizin. Seht euch eine lustige Aufführung oder einen lustigen Film an. Spielt etwas, das euch zum Lachen bringt.

Auszeiten planen:

Vorfreude ist die schönste Freude. Plant gemeinsam eine Auszeit. Damit meine ich keinen Urlaub oder eine lange Reise. Das ist auch toll, aber ich meine ein Wochenende oder etwas mit Übernachtung ohne Kinder.

Kleine Liebesbotschaften schicken: 

Schickt euch während des Tages regelmäßig kleine Nachrichten. Egal ob per SMS, Whattsapp oder Post-Its. Etwas, das ein Lächeln auf das Gesicht zaubert... Das kann auch ein Anruf sein.

Wir brauchen mehr als das!

Wenn es schon Konflikte gibt, dann ist es Zeit für den Beziehungskoffer. Nutzt die Beziehungskarten darin. Wählt Euer Thema. Stellt Euch gegenseitig die Fragen. Der Beziehungskoffer hilft Euch, einander zuzuhören und zu verstehen.

Das reicht nicht? Dann ist es an der Zeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das hört sich dramatischer an, als es ist. Laut einer dänischen Studie ist der optimale Zeitpunkt für Hilfe von außen 18 Monate nach der Geburt des ersten Kindes. Das kann eine Mediation oder eine Therapie sein. Es kann auch ein Beziehungs-Coaching sein. Wichtig ist, dass die Schwierigkeiten ernst genommen werden, bevor sie überwältigend werden.